Solche Mimosen

Früher™ waren Kondome auch nicht so empfindlich, oder? Da waren die noch aus guten Fahrradschlauchgummi und nicht so leicht kaputtzukriegen. Aber heute… Nicht mal ein bisschen Hitze vertragen die noch.

Wie soll denn das weitergehen, mit Klimaerhitzung und -katastrophe und allem… die Hersteller müssten wirklich mal auf die Zeichen der Zeit achten und sich um die Entwicklung von COA(„Climate Overheating Approved“)-Kondomen kümmern. Da könnte man dann auch gleich mal ans Ressourcenschonen gehen und den Unsinn von wegen „nur einmal verwenden“ abschaffen. Ein Kondom pro Familie und Jahr sollte doch reichen. Wenn man überlegt, um wieviel Tonnen schwer abbaubaren Gummi das unsere Öko-Bilanz erleichtern könnte… Halleluja.

Denk‘ ich ans Deutsche in der Nacht…

(was ich nicht tue, denn ich möchte ungern um den Schlaf gebracht werden), so verschiebe ich das auf den Tag und weiß trotzdem nicht, ob ich mich amüsieren oder ärgern soll.
Lest mal diesen Artikel (Archiv-Version). Kommt ihr auf mehr oder weniger als 10 Fehler in diesen zwei Absätzen + Zubehör? Na? Genau. Brrr. Mich interessierte natürlich insbesondere dieses Satzgespann:

Und auch Kondome sind nicht die besten Freunde unserer Natur. Doch mittlerweile kann man sogenannte Fair-Trade-Kondome kaufen, die vegan sind, komplett auf Tierversuche verzichten und aus umweltschonenden Naturkautschuklatex hergestellt werden.

Oh, die bösen Kondome. Sie sind nicht die besten Freunde unserer Natur? Wirklich nicht? Nein, es müssen Fair-Trade-Kondome sein, weil diese – trara! – aus „umweltschonenden (sic!) Naturkautschuklatex“ bestehen! Ja! Denn diese normalen, immer „handelsüblich“ genannten bösen Kondome-die-nicht-Freunde-der-Natur-sind, sie bestehen aus … äh… Naturkautschuklatex. Oh.
Liebe MISSetäter(innen?), das besondere an Fair Trade ist nicht der Naturschutz, es ist der faire Handel und die faire Entlohnung der Produzenten. Kann man überall nachlesen. Hat mit „Green Sex“ nichts, nada, gar nichts zu tun. Auch nicht mit „vegan“, denn es gibt jede Menge Fair-Trade-Produkte, die mit „vegan“ gar nichst am Hut haben. Denn „vegan“ bedeutet nicht „naturnah“ oder so, sondern (zusammengefasst) ohne tierische Bestandteile und tierleidfrei. Was übrigens dank moderner Fertigungsverfahren und neuer Rezepturen auf so viele Kondome zutrifft, dass es eigentlich bald kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist. Viele vegan produzierte Kondome haben lediglich keine Lust, teures Geld für so ein Siegel zu löhnen – wenn wir schon dabei sind, die Sprache zu vergewaltigen, und die Kondome vermenschlichen – die, die keine Freunde der Natur sind (schluchz) und auch die, die keine Tierversuche durchführen.
Apropos „umweltschonend“. Wusstet Ihr, dass auch bei der Herstellung der tollsten, vegansten, fairstgetradeten (usw.) Kondome neben der Latexmilch jede Menge Chemikalien benötigt werden? Wüde man tatsächlich nur die reine Latexmilch verwenden wollen, könnte man damit nichts anfangen – weder Kondome noch sonstige Gummierzeugnisse sind ohne große Mengen Chemie und Energie produzierbar. Und für die Siegelfolie braucht man Aluminium. Und bösen Diesel braucht an auch, um die Dinger zu transportieren. Lässt sich alles ergoogeln 🙂
Trotzdem sind, summa summarum, Kondome immer noch besser als die Pille. Für den Menschen. Klar. Aber man sollte vielleicht doch lieber auf dem Teppich bleiben: Egal, wie Du Sex hast und was Du verwendest – es spielt für die Umwelt schlicht keine Rolle.

Endlich: Kondome gegen den Klimawandel!

Fridays for Future hat ausgedient, und Extinction Rebellion kann auch entsorgt werden – denn bald sind wir gerettet: einfach Kondome kaufen, und wir müssen nicht alle sterben!
Nicht irgendwelche Kondome, natürlich, nicht dass da jemand auf falsche Ideen kommt – nein, ein „Start-Up“ muss es sein, mit „Crowd-Funding“ natürlich, und zahlen kann man im Shop später dann mit einer „Distributed-Ledger-Technologie“ – kurz, es handelt sich um ein Produkt, das eine ganz bestimmte Kundenschicht ansprechen soll (zu der ich wahrscheinlich eher nicht gehöre, ich geb’s ja zu).
Sei es wie es sei, natürlich ist es eine noble Geste, für jedes verkaufte Kondom einen Baum zu pflanzen, das wird dann für den Konsumenten sicher entsprechend teuer* – nicht alle werden gerettet werden, das kennen wir schon aus der Bibel, man muss es sich schon leisten können.
Die gute Nachricht: die Kondome werden nicht von einer upgestarteten distribuierten Legder-Funding Crowd (oder so) produziert, sondern von Richter Rubber** in Malaysia, einem soliden und doch eher traditionellen Unternehmen, das in der Branche einen sehr guten Ruf genießt. Ob das Start-Up RELEAF (Archiv-Version) nun das angestrebte Ziel von 50 Millionen Bäumen (und damit den Verkauf von 50 Millionen Kondomen, also fünfeinhalb Millionen Schachteln à 9 Stück), deren „Baumpflanzungs-Koordinaten im Tangle (dem IOTA Distributed Ledger)“ dann auch kundenfreundlich dokumentiert werden sollen, erreicht, ist eher nebensächlich; die Kunde von der guten Tat ist in der Welt (also zumindest in Hamburg), und das Schachteldesign ist auch fast fertig, und die ersten Euronen haben ein paar Klimakatastrophen-Überlebenswillige auch schon auf IndieGoGo zugesagt.
Schauen wir mal, wie sich das Ganze entwickelt. In der Zwischenzeit kann man (ohne ein schlechtes Klimagewissen zu haben) natürlich auch mit anderen Kondomen weitermachen, und Bäume pflanzen soll meines Wissens auch ohne großes Bohei gehen. Kann man ja auch einfach so machen, ohne Pressemitteilung.

* nach den bei IndieGoGo genannten Preisen, Stand von heute: etwa 1.-/Kondom (also 9.-/Schachtel). Da bleibt (nach Abzug der tatsächlichen Kosten für Produktion, Versand aus Malaysia, Importhandling, Lager, Vertrieb, Design, Shopwartung, Personal, Steuern etc.) aber nicht viel übrig für einen Baum…

** da fiel mir noch ein, dass Richter Rubber ja nicht nur diese herstellt, sondern auch die („aus dem Gerichtssaal bekannten“) Einhorn-Kondome – Ihr erinnert Euch: ein Kondom, viele bunte Chipstüten… Ja, die gibts noch. „Fairstainability“ und so. Mittlerweile mit 2 (!) verschiedenen Kondomen. Aber jetzt mit weniger Tüten. Vielleicht haben die alten ja mittlerweile Sammlerwert?

Ab ins Klo?

Environmental Science CoverIm Chemistry World Blog erschien letzte Woche ein interessanter Artikel, der anhand einer in Environmental Science veröffentlichten Studie belegt, dass es im Gegensatz zum allgemeinen Empfinden für die Umwelt unschädlich ist, Kondome in der Toilette zu entsorgen. Anhand einer Befragung wurde festgestellt, dass (in deutlicher Missachtung entsprechender Warnhinweise) ca. 3% der gekauften Kondome nach der Benutzung im Klo landen. Diese 3% (bzw. das, was davon nicht in Klärwerken rausgefiltert wird) stellen für die Umwelt demnach kein Risiko dar:

Survey data, along with information on screening efficiencies at sewage treatment plants, were put into a computer model of a river basin and its catchment area. This model estimated the amount of condom-derived material that should be present in environmental water. Condoms were then left to degrade in a simulated natural environment to reflect the quantity estimated to be present in environmental water. The resulting degradation mixture was sampled and used in ecotoxicity studies with the freshwater organisms, Daphnia magna and Chironomus riparius. Luckily for both species, the studies showed that the break-down products of condoms had no toxic effect in the concentrations predicted by the models. (Jennifer)

Dies ist allerdings kein Freibrief – wenn 100% aller Kondome im Klo verschwänden, sähe es unter Umständen durchaus anders aus. Erleichtert aufatmen können aber diejenigen, die schon mal (warum auch immer) Kondome im Klo entsorgt haben und sich seitdem mit schlechtem Gewissen plagen.