Neues vom Laub

Ich hatte doch vor ca. zweieinhalb Jahren mal über Kondome gegen den Klimawandel gelästert und versprochen, beizeiten mal nachzuschauen, was daraus geworden ist.
Das habe ich getan. Und ich bin, ehrlich gesagt, ganz angetan davon, dass es ein (Kondom-)Startup tatsächlich mal geschafft hat – und nicht, wie die meisten, nach großer anfänglicher Selbstbejubelung sang- und klanglos wieder entschwunden ist*. Gut, das mag auch damit zu tun haben, dass die Kondome tatsächlich gut gekauft werden (ein wenig Umsatz ist doch immer die beste Motivation), aber sie liegen anscheinend auch mit ihrem Anspruch voll im Trend – und man hat doch beim Kondom-Benutzen weitaus mehr Spaß, als wenn man sich irgendwo an der Straße festklebt.
Das angestrebte Ziel von 50 Millionen gepflanzter Bäume ist zwar noch nicht erreicht, aber immerhin ist ReLeaf schon bei gut 500.000 Stück (Stand heute), das ist zwar nur 1 Prozent des angestrebten Ziels, aber immerhin. Irgendwo muss man ja anfangen. Und auch beim Design ist ma nicht stehen geblieben, auch hier gibt es Fortschritte. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt: Es gibt nicht mehr so viele inhaltsleere Buzzwords auf der Website; man merkt das Bemühen, sich auch sprachlich zu verbessern (natürlich klappt das auch nicht 100%ig – und ich wäre nicht ich, wenn ich das nicht sofort hier posten würde, siehe Screenshot).
Alles in allem: Gut gemacht, bisher. Darf gerne fortgeführt werden.

*Ja, ich weiß, Einhorn gibts auch noch, aber erstens ist das schon lange kein Startup mehr, auch wenn man sich gerne noch so geriert, und zweitens werden Kondome dort mehr und mehr zur Nebensache – die Designpalette ist geschrumpft, und es geht mehr Richtung „Menstruationsprodukte“.

Verhütung revolutionieren? Nicht.

So gehts natürlich auch:

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Ja, klar. Wer seine eigenen Kunden schon für so doof hält… aber gut, schauen wir uns doch mal an, was KUGELSICHER™ so anbieten möchte – wenn sich das Unternehmen SK Brand Export UG (haftungsbeschränkt) aus Sulzfeld schon die Mühe macht, dieses alltägliche Wort nicht nur als nationale, sondern auch gleich als internationale Marke zu registrieren. Lustig ist natürlich, dass das Markenregister die Firma „SK Brand Export UG (haftungsbeschränkt)“ als Markeninhaber aufführt, auf der Website (Archiv) ganz unten jedoch steht „KUGELSICHER™ ist eine eingetragene Marke der Gablenz & Company GmbH“ (Die Firma Gablenz & Company GmbH sitzt in einem Co-Working Space in Frankfurt). Egal, nicht mein Problem.
Was wollte ich eigentlich… ach ja. Klar, es müssen Kondome sein (wer hätte das gedacht), aber sie sind natürlich NICHT kugelsicher, sie heißen nur so. Hahaha, wie lustig. Und es steht ja auch auf der Website, ganz, ganz klein zwar und ein wenig versteckt: „Die Kondome von KUGELSICHER™ sind aus NaKa-Latex und nicht tatsächlich kugelsicher“, man will ja sicher rechtlich sauber bleiben. „NaKa-Latex“, liebe doofe Kunden, ist übrigens Naturkautschuk-Latex, also Gummi – das gleiche Material, aus dem 99% aller anderen nicht kugelsicheren Kondome auch sind.
Also. Ein Kondom. Aus Latex. Vegan, natürlich. Dünn. Bei weitem nicht das dünnste auf dem Markt („Das 0,05 mm Feeling ist optimal: Dünner ginge zu Lasten der Dehnbarkeit“ – na ja, nicht wirklich, aber sei’s drum. Irgendwie muss man das ja anpreisen, und Kunden sind eh doof und haben keine Ahnung), aber gut. Und eine Blechbüchse dazu. Sonst nix (die Werbeartikel zähle ich jetzt mal nicht als Produkt, OK? Danke), aber es gibt eine Geldeinsammelseite (Archiv, Stand von heute), und da steht zusätzlich noch „laut dermatest Institut „SEHR GUT“ (02/2020) hautverträglich“. Interessant, vor allem da das Kondom ja noch gar nicht erhältlich ist – laut der verlinkten Startnext-Seite soll erst nach Erreichen des ersten Etappenzieles von 25.000 Euro (Stand heute: 189 Euro) die erste Charge Kondome produziert werden. Aber egal, geschenkt, Kunden sind doof, wissen wir ja. Apropos hautverträglich und Dermatest – wer wissen will, was das konkret bedeutet, kann bei Ökotest nachlesen:

Dabei wird das Mittel mehreren Testpersonen auf die Haut aufgetragen und mit einem Pflaster abgeschlossen. Frühestens nach 24 Stunden wird das Pflaster entfernt und die betroffene Hautstelle von einem Hautarzt auf mögliche Irritationen untersucht. Noch zwei weitere Tage wird die Stelle beobachtet.

Wobei ich jedoch bezweifle, dass man den 30 Probanden das Stückchen Gummi da festgetackert hat, wo es auch zum Einsatz kommen sollte… aber egal. Ein Testsiegel für den doofen Kunden, je mehr, desto besser. Und wenn es das Kondom noch gar nicht gibt, was wir testen wollen, nehmen wir halt ein anderes. Oder so. Wer weiß…

Eins noch: Das hier:

„Wusstest du, dass namhafte Kondom-Brands in Niedriglohnländern wie Malaysia, Thailand oder China herstellen, um Profite zu maximieren? Ja, genau die Hygieneartikel, denen du Deine Verhütung und den Schutz vor Krankheiten anvertraust!“

ist sowas von billig, da bliebt einem glatt die Spucke weg. Sich auf einer Um-Geld-Bettel-Seite darüber zu echauffieren, dass Unternehmen Profit machen.. aber was rege ich mich auf, wer seine eigenen Kunden so offensichtlich für doof hält, der begreift auch nicht unbedingt, dass es sinnvoll ist, die frische Latexmilch dort zu verarbeiten, wo sie geerntet wird – zum Beispiel in Malaysia oder Thailand. Um die dort erzeugte Latexmilch in Deutschland zu verarbeiten, muss sie nämlich monatelang (und zur Erhaltung der Halt- und Verarbeitbarkeit stark chemisch behandelt) um die halbe Welt geschippert werden. Ihr könnt ja auch mal googeln, was eine andere „Wir haben nur ein Kondom mittlerweile gar zwei Kondome“-Firma zum Thema „Produktion in Südostasien“ schreibt und warum die das im Gegensatz zu Euch ein wenig anders sehen.
Und zu dem „zu einem fairen Preis für deutsche Handarbeit“ sei nur angemerkt, dass Euer Hersteller so gut wie alles maschinell und automatisiert macht. Und das ist auch gut so, denn Kondome in Handarbeit herzustellen ist nicht wirklich praktisch, und da kämt Ihr bei deutschen Löhnen mit 25.000 Euro nicht weit. Aber egal, Kunde doof, bombardieren wir ihn mit buzzwords, er wird’s schon schlucken. Dann packen wir noch ein wenig Goethe drauf, wir sind im Land der Dichter und Denker, und machen uns ganz revolutionär über unseren eigenen Hersteller mit seinen „spätpubertär gestalteten Kartons“ lsutig, hach, ja, das tut gut.

Den Rest könnt Ihr auch selbst durchlesen. Ich bin raus. Viel Erfolg.

Endlich: Kondome gegen den Klimawandel!

Fridays for Future hat ausgedient, und Extinction Rebellion kann auch entsorgt werden – denn bald sind wir gerettet: einfach Kondome kaufen, und wir müssen nicht alle sterben!
Nicht irgendwelche Kondome, natürlich, nicht dass da jemand auf falsche Ideen kommt – nein, ein „Start-Up“ muss es sein, mit „Crowd-Funding“ natürlich, und zahlen kann man im Shop später dann mit einer „Distributed-Ledger-Technologie“ – kurz, es handelt sich um ein Produkt, das eine ganz bestimmte Kundenschicht ansprechen soll (zu der ich wahrscheinlich eher nicht gehöre, ich geb’s ja zu).
Sei es wie es sei, natürlich ist es eine noble Geste, für jedes verkaufte Kondom einen Baum zu pflanzen, das wird dann für den Konsumenten sicher entsprechend teuer* – nicht alle werden gerettet werden, das kennen wir schon aus der Bibel, man muss es sich schon leisten können.
Die gute Nachricht: die Kondome werden nicht von einer upgestarteten distribuierten Legder-Funding Crowd (oder so) produziert, sondern von Richter Rubber** in Malaysia, einem soliden und doch eher traditionellen Unternehmen, das in der Branche einen sehr guten Ruf genießt. Ob das Start-Up RELEAF (Archiv-Version) nun das angestrebte Ziel von 50 Millionen Bäumen (und damit den Verkauf von 50 Millionen Kondomen, also fünfeinhalb Millionen Schachteln à 9 Stück), deren „Baumpflanzungs-Koordinaten im Tangle (dem IOTA Distributed Ledger)“ dann auch kundenfreundlich dokumentiert werden sollen, erreicht, ist eher nebensächlich; die Kunde von der guten Tat ist in der Welt (also zumindest in Hamburg), und das Schachteldesign ist auch fast fertig, und die ersten Euronen haben ein paar Klimakatastrophen-Überlebenswillige auch schon auf IndieGoGo zugesagt.
Schauen wir mal, wie sich das Ganze entwickelt. In der Zwischenzeit kann man (ohne ein schlechtes Klimagewissen zu haben) natürlich auch mit anderen Kondomen weitermachen, und Bäume pflanzen soll meines Wissens auch ohne großes Bohei gehen. Kann man ja auch einfach so machen, ohne Pressemitteilung.

* nach den bei IndieGoGo genannten Preisen, Stand von heute: etwa 1.-/Kondom (also 9.-/Schachtel). Da bleibt (nach Abzug der tatsächlichen Kosten für Produktion, Versand aus Malaysia, Importhandling, Lager, Vertrieb, Design, Shopwartung, Personal, Steuern etc.) aber nicht viel übrig für einen Baum…

** da fiel mir noch ein, dass Richter Rubber ja nicht nur diese herstellt, sondern auch die („aus dem Gerichtssaal bekannten“) Einhorn-Kondome – Ihr erinnert Euch: ein Kondom, viele bunte Chipstüten… Ja, die gibts noch. „Fairstainability“ und so. Mittlerweile mit 2 (!) verschiedenen Kondomen. Aber jetzt mit weniger Tüten. Vielleicht haben die alten ja mittlerweile Sammlerwert?

„Erster!“, ruft der Letzte

Und wieder hat einer den Schuss nicht gehört. Denn, man höre und staune, es gibt nun

Johoho, und ’ne Buddel voll Rum. Mehr als ein Jahrzehnt gibt es hierzulande schon vegane Kondome (ja, auch in Österreich, lieber „Journalist“ Manfred Sax vom Wiener) – was natürlich niemanden daran hindert, das Gegenteil zu behaupten. Zumindest in der Überschrift (im Artikel ist vom „ersten“ veganen Kondom keine Rede mehr), was das ganze dann natürlich – wie erwartet – zu einem lahmen Clickbait abqualifiziert, denn eigentlich ist so ein einzelnes, einfaches, simples Kondom nun wirklich keine Nachricht wert.
Es geht um HANX (Produktmerkmale: „100% natural, Fair trade, Vegan-friendly, Clean scented, Ultra-thin, transparent, smooth, contoured, lubricated and 52 mm Nominal Width“), ein simples Kondom in einer Dreierpackung, aber „the world’s only luxurious condom designed by women for women […] designed to empower women […] condoms that women are proud to be seen with and carry.“

Man kanns auch übertreiben.