Die Mystery Box

die heute bei mir auf dem Tisch steht, ist das neueste Beispiel für eine kreative Handhabung der Kennzeichnungsvorschriften. Soviel vorweg: Es ist (fast) alles da, was vorgeschrieben ist – das Einzige, was man allerdings von außen (also ohne die Packung zu öffnen) sehen kann, ist ein Logo (on top) und ein Barcode (an der Seite).
Ich sehe ja ein, dass man auch mit Druckertinte sparsam sein muss (wir sind ja alle öko, und so), aber gleich alles wegzulassen, was dem potentiellen Käufer die Identifizierung des Inhalts ermöglicht, halte ich doch für gewagt. Aber gut, der Anbieter bewirbt „anonyme Lieferung“ – noch anonymer geht wirklich nicht. Der Barcode lässt sich zwar scannen – zum Lesen ist er fast zu klein -, und die Google-Suche nach dieser Nummer führt auch zu ein, zwei Angeboten auf Marktplätzen, aber sonst erfahre ich nichts.
Apropos Druckertinte sparen – war doch nicht der Grund, denn nach dem Öffnen zeigte sich die Innenseite im Vollfarbdruck, und zwar mit allem, was man so an Informationen erwarten würde. Nicht perfekt und nicht 100%ig konform (und wenn man eine gute Lupe besitzt, kann man auch die ordnungsgemäß beigelegte Anleitung lesen; Brille allein reicht nicht), aber ausreichend. Nur halt innen statt außen. Man kann also erst nach dem Öffnen der Verpackung das Verfallsdatum sehen oder den Hersteller identifizieren… was, glaube ich, nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Und auch nicht in dem des (potentiellen) Kunden.
Nur nebenbei: die Kleinstpackung dieser Marke (mit 5 Kondomen) gibt es auch „richtig herum“ bedruckt und einigermaßen ordentlich gekennzeichnet. Warum man das bei den größeren Abpackungsgrößen ausschließlich auf die Innenseite verlagert hat, ist mir unklar. Billiger wird’s dadurch jedenfalls nicht… Der in den Niederlanden ansässige Lieferant meint zwar auf Rückfrage „They are (legally checked!) suitable for the internet/online shopping“, aber nun ja. Hier jedenfalls nicht.

Sollten Männer oder Frauen Kondome kaufen?

Das klingt auf den ersten Blick wie eine ziemlich redundante Frage (ist es auch; denn entscheidend ist doch, dass man sie hat, nicht wer sie kauft, ob ob man sie überhaupt kaufen muss), reicht aber offensichtlich allemal für einen ganzen Artikel im (Online-)Magazin „Desired“ („Lifestyle, Fashion, Beauty, Karriere, Gesundheit, Liebe, Mami“) (Archiv), in dem eine gewisse „Nina Everwin“ (keine Ahnung, ob das ein echter Name ist) eben darüber des Langen und Breiten schwadroniert – ausreichend lang jedenfalls, um jede Menge Werbe-Links unterzubringen und eine zweistellige Zahl an Trackern mitlaufen zu lassen. Sei’s drum, anderer Leute Geschäftsmodell ist nicht mein Problem, und der ganze Krempel wird ohnehin weggefiltert. Wer heutzutage noch mit ungeblocktem Browser unterwegs ist, fängt sich schneller was ein, als man sich ohne Kondom einen Tripper holen konnte. Womit wir wieder beim Thema wären.
Jedenfalls (Achtung! Spoiler) verrät uns Frau Everwin bis zum Ende nicht, wer denn nun die Kondome kauft – keine Zahlen, keine Statistik, nichts. Nur das übliche Männerbashing, denn es

stellt sich die Frage, ob sie[sic!] Männer beim Kondomkauf vermehrt aus der Verantwortung ziehen.

Steile These, aber nach wie vor keine Zahlen. Aber:

Natürlich ist es nur fair, wenn sich beide Partner für die Verhütung verantwortlich fühlen und die Kosten teilen. Nichtsdestotrotz kann man sich leider nicht immer auf die Männerwelt verlassen.

Kennst du viele Männer, die stets ein Kondom im Portemonnaie mit sich führen? Es scheint, als würde es sich hierbei um ein seltener werdendes Phänomen handeln, da heutzutage auch immer mehr Frauen Kondome kaufen.

Um es mit Fefes Worten zu sagen: Scheiße, Bernd! Das hat bestimmt die CIA rausgekriegt. Die kriegen alles raus. Alles kriegen die raus!1!!
Nun ja, Kondome im Portemonnaie. Ich sags mal so : Eher nicht so zu empfehlen; es sei den, man nimmt die extra für diesen Zweck entwickelten Kondomkarten von KAMYRA (ja, ich kann auch Werbelink!). „Normale“ (Latex-)Kondome in der Folie sind nach ein paar Aufenthalten im Portemonnaie schon nicht mehr brauchbar – Geld stinkt zwar nicht (sagt man), aber kann so ein Kondom und die Schutzfolie drumherum schon ziemlich aufreiben. Ich würde es mir jedenfalls eher verbitten, mit einem im Portemonnaie „für alle Fälle“ mitgeführten Kondom in Kontakt zu kommen. Nein, die Männer tragen nicht deswegen immer seltener Kondome im Portemonnaie mit sich herum, weil mehr Frauen Kondome kaufen, sondern weil sie eben gelernt haben, dass es dem einzelnen Kondom in der Brieftasche selten gut genug geht, um noch verwendbar zu sein. Oder weil sie sich eh nicht mehr trauen, Frauen anzusprechen. Oder weil Bargeld (und damit auch das Portemonnaie) aus der Mode kommt. Oder was weiß ich. Und ja, eine Handtasche (wie sie Männer halt seltener haben) ist für die Aufbewahrung eines noch zusätzlich durch die Schachtel oder ein Döschen geschützten Kondoms einfach wirklich praktischer. Oder eine Nachttischschublade; aber unterwegs hat man die halt meist nicht dabei.
Aber egal. Die Männer.

In einer perfekten Welt wäre es natürlich schön, wenn die Männer beim Kondomkauf etwas aktiver werden würden.

Man kann es manchen Damen aber auch nie recht machen. Kümmert man sich um Kondome, ist es patriarchalische Bevormundung, als ob Frauen nicht selbst in der Lage wären, sich um Verhütung zu kümmern; kümmert man sich nicht, ist es patriarchalischer Hochmut, als ob Männer den Frauen immer die Verantwortung für die Verhütung aufdrücken.
Dabei ist es doch ganz einfach: Wer auf Sex aus ist, sollte – insofern die Beteiligung eines oder mehrerer Penisse gewünscht wird – Kondome dabei haben. Punkt.
Und um nun endlich mal auf die Zahlen zu kommen, die Frau Everwin nicht recherchieren konnte oder wollte – ich erwähnte ja (im Impressum), dass ich in der Branche arbeite -: ca. 49% aller (Online-)Kondomkäufer sind Männer, 51% sind Frauen (auf der Basis der angegebenen Vornamen). Das entspricht so ziemlich der hiesigen Bevölkerungsstruktur. Bitte, danke, gern geschehen.