Läuft wie geschmiert

Ich muss doch wechseln; mein vormaliges Lieblingsportal „Gute Frage“ bringt nichts interessantes mehr 🙁
Ich gehe statt dessen zu Amazon, dieser Fundgrube an neuen, innovativen, preiswerten und interessanten Kondomen. Neuester Bringer: ein „festes Hyaluronsäure-Kondom“ aus „geschmiertem ultradünnem Sex-Sicherheitsmaterial“ (Amazon | Archiv). Das Bild verunsichert mich zwar ein wenig (WTF ist das da drin!?), aber die zugesagten Eigenschaften sind überzeugend – ein nacktes, supraleitendes schwarz-gold-silbernes Durex-Kondom zur Oberflächenstraffung, mit dem mein Leben besser wird, kann man bei dem angebotenen Preis von EUR 2,33 / 10 Stück einfach nicht ablehnen (auch wenn der angegebene Liefertermin 3.7., hmnja, für spontane Aktionen eher unpraktisch ist). Beruhigend und vertrauenerweckens ist auch der Name des Verkäufers: „tranquili“ klingt doch um Längen besser als der angegebene Firmenname „guangzhouxinlongtai shangmaoyouxiangongsi“. Leider kann Google Maps mit der Firmenadresse „haizhuqufengyangjiedongxiaonanlu247hao guangzhoushi guangdongsheng 510260“ nicht wirklich was anfangen, aber China ist toll. Bestimmt mag ich China.

Natürliche Erleuchtung

… überkommt einen, wenn man zufällig auf die Produktauswahl der Condomeria AG (Archiv) aus Zürich stößt und dort gleich an erster Stelle nebenstehende trojanische Naturlampe findet. Abgesehen davon, dass der Claim „Jedes Kondom mehrmals verwendbar“ schon sehr, hm, problematisch ist (hierzulande werden Hersteller ja schon mit teuren Anwaltsaugen beschaut, wenn ihre Produkte aufgrund mehrdeutiger Beschriftungen bei manchen Nutzern den Eindruck hervorrufen könnten, eine Mehrfachverwendung wäre irgendwie OK – aber „bekannt aus dem Gerichtssaal“ ist ja andererseits auch gute PR, oder?), finde ich es absolut unmöglich, aus dem niedlichen Lämmchen ("Naturalamb"), das seine Därme für dieses casanovaeske Kondom (Archiv) opfern musste, ein Lämpchen zu machen.
Falls irgendjemand die mal probieren möchte: sie sind seeeehr groß (wirklich!), überhaupt nicht elastisch (Wurstpelle), müssen demzufolge mit einem Faden (dem „exclusive KLING-TITE™ band“) unten zugebunden werden, sind tropfend feucht und ziemlich, hm, geruchsintensiv – auch wenn ich zugeben muss, dass meine persönliche Erfahrung damit schon ein paar Jahre her ist und man heute das Produkt sicher verbessert hat. Aber das Casanova-Feeling bleibt: damals wie heute schützen diese Überzieher nicht vor Krankheiten.

Verhütung revolutionieren? Nicht.

So gehts natürlich auch:

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Ja, klar. Wer seine eigenen Kunden schon für so doof hält… aber gut, schauen wir uns doch mal an, was KUGELSICHER™ so anbieten möchte – wenn sich das Unternehmen SK Brand Export UG (haftungsbeschränkt) aus Sulzfeld schon die Mühe macht, dieses alltägliche Wort nicht nur als nationale, sondern auch gleich als internationale Marke zu registrieren. Lustig ist natürlich, dass das Markenregister die Firma „SK Brand Export UG (haftungsbeschränkt)“ als Markeninhaber aufführt, auf der Website (Archiv) ganz unten jedoch steht „KUGELSICHER™ ist eine eingetragene Marke der Gablenz & Company GmbH“ (Die Firma Gablenz & Company GmbH sitzt in einem Co-Working Space in Frankfurt). Egal, nicht mein Problem.
Was wollte ich eigentlich… ach ja. Klar, es müssen Kondome sein (wer hätte das gedacht), aber sie sind natürlich NICHT kugelsicher, sie heißen nur so. Hahaha, wie lustig. Und es steht ja auch auf der Website, ganz, ganz klein zwar und ein wenig versteckt: „Die Kondome von KUGELSICHER™ sind aus NaKa-Latex und nicht tatsächlich kugelsicher“, man will ja sicher rechtlich sauber bleiben. „NaKa-Latex“, liebe doofe Kunden, ist übrigens Naturkautschuk-Latex, also Gummi – das gleiche Material, aus dem 99% aller anderen nicht kugelsicheren Kondome auch sind.
Also. Ein Kondom. Aus Latex. Vegan, natürlich. Dünn. Bei weitem nicht das dünnste auf dem Markt („Das 0,05 mm Feeling ist optimal: Dünner ginge zu Lasten der Dehnbarkeit“ – na ja, nicht wirklich, aber sei’s drum. Irgendwie muss man das ja anpreisen, und Kunden sind eh doof und haben keine Ahnung), aber gut. Und eine Blechbüchse dazu. Sonst nix (die Werbeartikel zähle ich jetzt mal nicht als Produkt, OK? Danke), aber es gibt eine Geldeinsammelseite (Archiv, Stand von heute), und da steht zusätzlich noch „laut dermatest Institut „SEHR GUT“ (02/2020) hautverträglich“. Interessant, vor allem da das Kondom ja noch gar nicht erhältlich ist – laut der verlinkten Startnext-Seite soll erst nach Erreichen des ersten Etappenzieles von 25.000 Euro (Stand heute: 189 Euro) die erste Charge Kondome produziert werden. Aber egal, geschenkt, Kunden sind doof, wissen wir ja. Apropos hautverträglich und Dermatest – wer wissen will, was das konkret bedeutet, kann bei Ökotest nachlesen:

Dabei wird das Mittel mehreren Testpersonen auf die Haut aufgetragen und mit einem Pflaster abgeschlossen. Frühestens nach 24 Stunden wird das Pflaster entfernt und die betroffene Hautstelle von einem Hautarzt auf mögliche Irritationen untersucht. Noch zwei weitere Tage wird die Stelle beobachtet.

Wobei ich jedoch bezweifle, dass man den 30 Probanden das Stückchen Gummi da festgetackert hat, wo es auch zum Einsatz kommen sollte… aber egal. Ein Testsiegel für den doofen Kunden, je mehr, desto besser. Und wenn es das Kondom noch gar nicht gibt, was wir testen wollen, nehmen wir halt ein anderes. Oder so. Wer weiß…

Eins noch: Das hier:

„Wusstest du, dass namhafte Kondom-Brands in Niedriglohnländern wie Malaysia, Thailand oder China herstellen, um Profite zu maximieren? Ja, genau die Hygieneartikel, denen du Deine Verhütung und den Schutz vor Krankheiten anvertraust!“

ist sowas von billig, da bliebt einem glatt die Spucke weg. Sich auf einer Um-Geld-Bettel-Seite darüber zu echauffieren, dass Unternehmen Profit machen.. aber was rege ich mich auf, wer seine eigenen Kunden so offensichtlich für doof hält, der begreift auch nicht unbedingt, dass es sinnvoll ist, die frische Latexmilch dort zu verarbeiten, wo sie geerntet wird – zum Beispiel in Malaysia oder Thailand. Um die dort erzeugte Latexmilch in Deutschland zu verarbeiten, muss sie nämlich monatelang (und zur Erhaltung der Halt- und Verarbeitbarkeit stark chemisch behandelt) um die halbe Welt geschippert werden. Ihr könnt ja auch mal googeln, was eine andere „Wir haben nur ein Kondom mittlerweile gar zwei Kondome“-Firma zum Thema „Produktion in Südostasien“ schreibt und warum die das im Gegensatz zu Euch ein wenig anders sehen.
Und zu dem „zu einem fairen Preis für deutsche Handarbeit“ sei nur angemerkt, dass Euer Hersteller so gut wie alles maschinell und automatisiert macht. Und das ist auch gut so, denn Kondome in Handarbeit herzustellen ist nicht wirklich praktisch, und da kämt Ihr bei deutschen Löhnen mit 25.000 Euro nicht weit. Aber egal, Kunde doof, bombardieren wir ihn mit buzzwords, er wird’s schon schlucken. Dann packen wir noch ein wenig Goethe drauf, wir sind im Land der Dichter und Denker, und machen uns ganz revolutionär über unseren eigenen Hersteller mit seinen „spätpubertär gestalteten Kartons“ lsutig, hach, ja, das tut gut.

Den Rest könnt Ihr auch selbst durchlesen. Ich bin raus. Viel Erfolg.

Mangelware

wird das Kondom hoffentlich nicht werden. Momentan stehen zwar viele Fabriken still – unter anderem ist auch ein Teil der Produktion des malaysischen Großherstellers Karex gestoppt worden, und auch Thailand wird wohl bald nachfolgen -, aber eine nach der anderen macht mit „Ausnahmegenehmigung“ oder ähnlichen Sonderregelungen wieder auf. Mehr dazu hat Reuters.
Ich bin allerdings optimistisch, dass zumindest im Einzelhandel hier in Mitteleuropa auch 1 Monat Produktionsstillstand keine gravierenden Mängel in den Regalen bedeutet; die meisten Lager – egal ob beim Großhandel oder vielen Versendern – sind gut gefüllt. Vielleicht ist das auch eine Chance für viele kleinere, seltener gekaufte Marken, wenn Durex sich mal eine Weile zurückziehen muss…