Kondom-Hersteller könnten für ungewolltes Kind haften (Spoiler: nein!)

Die österreichische Qualitätspresse hat wieder einen neuen Aufreger (Archiv):

… und natürlich ist die Überschrift wieder total daneben. Ja, es geht um Haftung, aber von Kondomen (oder deren Herstellern) ist keine Rede; vielmehr geht es um medizinische Eingriffe. Da der reißerische Artikel natürlich keinen Link zum angesprochenen OGH-Urteil enthält (alle Links im Artikel sind Eigenwerbung), habe ich mich direkt beim Österreichischen OGH umgesehen und dort folgende Leisätze gefunden (Archiv):

  1. Sowohl bei einem medizinischen Eingriff, der die Empfängnisverhütung bezweckt (zB Vasektomie oder Eileiterunterbindung), als auch bei der Pränataldiagnostik sind die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) an der Verhinderung der Empfängnis bzw – bei Vorliegen der embryopathischen Indikation – der Geburt eines (weiteren) Kindes vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst.
  2. Wäre das Kind bei fachgerechtem Vorgehen bzw ordnungsgemäßer Aufklärung der Mutter (der Eltern) nicht empfangen bzw nicht geboren worden, haftet der Arzt (unabhängig von einer allfälligen Behinderung des Kindes) insbesondere für den von den Eltern für das Kind zu tragenden Unterhaltsaufwand.

Den Volltext der Entscheidung (Aktenzeichen – oder, wie die Österreicher sagen, Geschäftszahl – 3Ob9/23d) findet Ihr hier. Mir persönlich geht nicht nur an der obigen „Berichterstattung“ etliches gegen den Strich, sondern mich stören auch Sätze im Urteil wie „Die Tatsache, dass die wirtschaftliche Belastung erst durch die Existenz des Kindes ausgelöst werde, ergebe sich aus einem naturwissenschaftlichen Zusammenhang, der für sich genommen wertfrei sei. Der Schadensbegriff sei zudem weder nach dem Gesetz noch nach der schadenersatzrechtlichen Praxis derart negativ besetzt, dass es sich verbiete, finanzielle Belastungen aus der Geburt eines Kindes als Schaden anzusehen.“ Das Kind als Schaden an sich. Na herzlichen Glückwunsch…

Alles umsonst! Heute: Österreich

Es hat schon eine kleine Spur von Humor, wenn bei mir (der ich ja bekanntermaßen zum Bestreiten meines Lebensunterhaltes Kondome verkaufe) eine Sponsoringanfrage von einer Organisation eingeht, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, kostenlose Kondome für alle verlangen wollen zu dürfen. Diesmal aus Österreich, denn auch dort ist „will haben“ in Kombination mit „umsonst“ eine recht beliebte Forderung – Gedanken darüber, dass irgendjemand das bezahlen muss, macht man sich ja traditionell nicht (und… Überraschung: der Staat zahlt gar nix, das ist alles Geld der Steuerzahler, und auch Sponsoren können nur Geld ausgeben, das sie vorher eingenommen haben – von den Konsumenten…).

Wir als Initiative Gratis Verhütung für ALLE! treten in der ersten Februarwoche mit unserem Volksbegehren zu – Sie werden es vielleicht erraten haben – gratis Verhütung in den Medien auf.
Nach unserer Pressekonferenz im Zentrum von Wien findet eine ästhetisch schillernde Kundgebung statt, zu der die Journalist:innen eingeladen sind. Ich frage Sie hierfür um eine Werbematerialspende an (Kondome), die bei der Kundgebung zum Einsatz kommen soll. […] Hier sind die konkreten Forderungen zusammengefasst:

  • Prävention, Zugänglichkeit, Aufklärung!
  • Kostenlose Kondome und Lecktücher in Apotheken und Drogerien!
  • Gratis hormonelle und nicht hormonelle Verhütung (z.B. Pille, Stäbchen, Spritze, Hormonspirale, Kupferkette & -spirale, Goldspirale, etc.)!
  • Gratis Pille Danach!
  • Kostenübernahme von Verhütungsberatung bei Ärzt:innen!
  • Umfassende sexualpädagogische Aufklärung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen!

Da ein Volksbegehren auch eine große mediale Aufmerksamkeit benötigt, um so viele Bürger:innen wie möglich darüber zu informieren, sind wir momentan auch auf der Suche nach mittel-/längerfristiger finanzieller Unterstützung für unsere Kampagne. Wir finden, dass ein Sponsoring auch für Sie interessant sein kann.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich diesbezüglich kontaktieren können, um weitere Details zu besprechen…

Nun, werte Dame, ich finde, dass ein Sponsoring für mich nicht wirklich interessant sein kann – ich habe nämlich kein Interesse daran, mich und meine Firma überflüssig zu machen und dafür noch Teile meines teuer eingekauften Warenlagers für umme nach Wien zu expedieren. Gestatten Sie mir außerdem noch den Hinweis, dass es auch in Österreich bereits ausreichend Möglichkeiten gibt, gratis Kondome zu erhalten – Interessenten können sich beispielsweise an eine der vielen regionalen Niederlassungen der AIDSHilfe oder gemeinnützige Vereine wie STOPAids wenden. Und zwar schon seit langem. „Im Infoshop der Aids Hilfe Wien kannst du täglich bis zu drei Stück kostenlos abholen,“ schreibt beispielsweise die Aidshilfe Österreich.
Vielleicht sollten Sie vor Ihrem nächsten Mailing doch ein wenig darauf achten, an wen Sie Ihre Geschenkwünsche richten.

PS. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Wer Hilfe und Unterstützung braucht und alleine nicht klarkommt, dem muss geholfen werden. Aber „alles umsonst für alle“ kann ich nicht unterstützen, weder ideell noch materiell. Tut mir leid. (Nein, nicht wirklich)

(Latex-)Kondome sind kein Plastik.

Latex-Kondome bestehen aus Latex. Latex ist pflanzlich. Latex ist grundsätzlich natürlich abbaubar (auch wenn es – wie man gerne bei Bedarf auf dem heimischen Komposthaufen studieren kann – recht lange dauert, bis es sich zersetzt hat; was aber auch irgendwie logisch ist, denn schließlich wurde da Material ja vorher extra bearbeitet, damit es lange hält…). Also geht mir bei solchen Texten das Messer in der Tasche auf:

Der erste beschriebene Plastikmüll im Meer waren Millionen benutzter Kondome […] Ein erster Bericht von Plastik im Ozean stammt vom britischen Autor Aldous Huxley (1894–1963), der am Strand von Santa Monica (USA) weisse Objekte wie tote Raupen entdeckte – Millionen benutzter Kondome aus dem Abflussrohr von Los Angeles.

So geschrieben von Daniel Arnet auf Blick.ch (Archiv) in einer Rezension zu Roman Kösters Buch «Müll».
Die Episode ist überliefert in Huxleys „Like Hyperion to a Satyr“ (1956) und bezieht sich auf einen Strandspaziergang, den er 1939 zusammen mit Thomas Mann und zwei Damen unternahm („the scale was American, the figures astronomical. Ten million saw I at a glance. Ten million emblems and mementoes of Modern Love“), wobei die Zahl der Kondome sicher nicht zu buchstäblich genommen werden sollte; ich glaube nicht, dass es einem Menschen möglich ist, eine Menge von angenommenen 10 Millionen Kondomen sicher auf einen Blick zu bestimmen – aber ja, es waren sicher sehr viele, und schön war es nicht. Aber es war kein Plastik (was Huxley auch nirgends behauptet hatte). Einen interessanten Bericht über das „verantwortliche“ Klärwerk (Hyperion sewage treatment plant) gibt es von Sarah Priscilla Randle in The Awl (Archiv), wo diese Episode auch erwähnt wird. Ein paar Jahre später spuckte das Klärwerk übrigens keinerlei Kondome mehr aus, was auch Huxley entsprechend und freudig bewegt notierte.
Nochmal: Kein Plastik. Und die 1939er Kondome dürfen binnen kurzer Zeit vom Seewasser zerfressen worden sein. Genau wie ihr Inhalt.
Nichtsdestotrotz hält sich hartnäckig irgendwo in deutschen Beamtenschädeln die Meinung, Latex (Gummi) wäre Plastik. Anders ist es nicht zu erklären, dass Luftballons(!) explizit und namentlich bei den demnächst zusätzlich mit einer Einwegkunststoffabgabe zu belastenden Artikeln aufgeführt werden (Anlage 1 des Einwegkunststofffondsgesetzes, siehe hier) – neben Plastiktüten, Zigarettenfiltern, Feuchttüchern, Getränkebehältern und anderem (aber ich will nicht meckern; Kondome stehen nicht drin, auch wenn sie materialtechnisch fast das gleiche sind wie Luftballons). Ausgenommen sind übrigens „Luftballons für industrielle oder gewerbliche Verwendungszwecke und Anwendungen, die nicht an Verbraucher abgegeben werden“, was ja komplett logisch ist, weil daraus ja nie und nimmer Müll wird…
Kondome aus Plastik – nämlich Polyurethan – wurden übrigens erst viele Jahre nach Huxleys Spaziergang erfunden. Als es schon weitaus bessere Klärwerke gab.

Langlebig und leicht zu reinigen

Johoho, und ’ne Buddel voll Rum – dabei ist doch erst morgen Silvester. Aber bei so was muss ich meine aufkeimende Aggressivität dann doch mit etwas stärkerem bekämpfen:

Die Durex-Love-Collection ist also langlebig und leicht zu reinigen!? Gut, was das langlebig angeht – 31 Kondome können theoretisch schon ein paar Jahre reichen (oder aber auch nur ein paar Tage, hmnja) – mag ich mich ja noch anschließen, aber „leicht zu reinigen“?
Meine erste Reaktion auf diese Meldung in meinem Google Alert war nach einem kurzen Blick auf das Snippet „Ey, Durex, habt Ihr einen unwissenden Praktikanten auf Euren Shop losgelassen!?“, aber dann musste ich feststellen, dass da zwar „Durex-Shop“ steht, der Link aber mitnichten zu Durex geht; die können also nichts dafür. Der Link geht zu einem seltsamen „Shop“ ohne Impressum mit teil französischen Texten (zu AGB, Rückgabe und Datenschutz), die sich auf ganz andere Domains beziehen und in denen nirgends Angaben zum Betreiber zu finden sind. Es gibt auch keine Widerrufsbedingungen nach geltendem Standard, und Zahlungen nur im Voraus. Da sollten alle Alarmglocken klingeln. Die URL ist www.condomsselling.com (und nein, ich verlinke das hier nicht); wer sich das also antun will, ist gewarnt.