Wir brauchen ein Sondervermögen

Gestern hatte ich ja noch gelästert, dass die Schweiz für das Projekt „Verhütungsmittel kostenlos für alle“ ein Sondervermögen lockermachen müsste; und heute lese ich, dass es auch bei uns Bestrebungen in diese Richtung gibt. Die sind zwar von den Forderungen her nicht ganz so umfangreich – aber wenn man bedenkt, was selbst einfachste Projekte in dieser unserer Bundesrepublik so für Geld verschlingen, so können wir uns dafür das nächste Sondervermögen bereitlegen (schließlich haben wir ja eine „Notlage“, da sind neue Schulden ja kein Problem):

Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass es Krankenkassen ermöglicht werden soll, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Insbesondere bei Geringverdiener*innen sollen die Kosten übernommen werden. Die Bundesregierung kündigte ebenfalls an, die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anzuheben. Zur Halbzeit der Legislatur wurde bislang keines der genannten Vorhaben verwirklicht.

So ist es unter dem Titel Verhütung ist Menschenrecht! (Archiv) zu einer „Dokumentation der Paritätischen Fachtagung zur Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln“ zu lesen. Das verlinkte PDF-Dokument (Archiv) erläutert Näheres und ist – im Vergleich zur der Schweizer Initative von gestern – zwar auf den ersten Blick etwas realistischer, was die geforderten Kostenübernahmen angeht, in der Konsequenz wird jedoch auch wieder „alles muss bezahlt werden“ gefordert:

pro familia fordert […] den Rechtsanspruch für alle Menschen und präzisiert: Die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel und -methoden zur Familienplanung für alle Menschen sollen über die Krankenkassen sichergestellt werden. […] Insbesondere Menschen mit wenig Geld sind auf eine schnelle gesetzliche Lösung angewiesen. Aufgrund dieser Dringlichkeit auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit fordert pro familia deshalb in einem ersten Schritt, den Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu allen Verhütungsmitteln für Menschen mit wenig Einkommen zu garantieren.

Nun ja. Seufz. Über Gratis-Kondome habe ich schon viel geschrieben. Und zu Leuten, die alles und jedes „vom Staat“ (also von meinen Steuern) bezahlt haben wollen, habe ich auch eine dedizierte Meinung. Erinnert sich noch jemand an den großen Aufriss, als es um die Mehrwertsteuersenkung für Periodenprodukte ging? Was das alles an finanziellen Freiheiten für die Frauen bringen würde? Nein? Und Gratis-Tampons für alle, die sich als Frau identifizieren? Auch nicht?
Um das noch einmal klarzustellen: Ich habe nichts gegen gratis Kondome für Geringverdiener. In anderen Ländern kann man sich auch einfach welche „holen“, wenn man sich keine leisten kann (bei uns geht das auch, man muss halt nur wissen, wo – denn „einfach“ geht bei uns nicht). Die Kosten für die öffentliche Hand sind überschaubar und kalkulierbar. Aber alles für alle? Nope. Recht auf Wohnraum heißt ja auch nicht „Villen für jeden“. Der Staat kann (und muss) für die, um die er sich kümmern muss, die Grundlagen sicherstellen und nicht eine Rundum-Vollversorgung anbieten. Zum Verhüten sind einfache Kondome im Normalfall vollkommen ausreichend (und einfach anzuwenden, sicher, nebenwirkungsfrei, non-invasiv… aber ich wiederhole mich).

Göttingen: Geld für Pille, aber nicht für Kondome

„Die Stadt Göttingen zahlt jährlich aus einem Fonds knapp 13 500 Euro für Verhütungsmittel an Hilfsempfängerinnen aus“, meldete das Göttinger Tageblatt am 19. Januar.

Hilfsempfängerinnen ab 20 Jahren – bis dahin können Verhütungsmittel ärztlich verordnet werden – konnten nach der Einrichtung des Fonds die Übernahme der Kosten für Pille, Spirale oder Drei-Monats-Spritze bei der Stadt beantragen. Für die Linke regte Patrick Humke an, dass auch die Kosten für Kondome übernommen werden sollten, damit das Thema Verhütung nicht allein bei der Frau liege.

Jedoch: „Bisher würden Kondome nicht bezahlt“, sagte Sozialdezernentin Dagmar Schlapeit-Beck, „weil diese vergleichsweise billig seien“.
Liebe Frau Schlapeit-Beck, ich kann Ihnen gerne ein paar Websites aufzählen, wo Sie richtig schön teure Kondome bekommen können – vielleicht sind sie Ihnen ja dann gut genug für Ihre bedüftigen Göttinger?
(Früher war das mal so, dass generell nur preiswerte Sachen erstattet, bezahlt oder gefördert wurden, wenn es um staatliche oder kommunale Hilfen ging; die teuren waren für die, die es sich leisten konnten. Aber vielleicht ist ja auch hier alles im Wandel – nur das Beste für Armen; sollen doch die Reichen den Billigkrempel nehmen…)