Tolles Thema. Schade.

Es gab mal einen netten, kleinen Blog über Kondome mit dem Namen Der verrückte Alltag eines Kondome-Shop-Betreibers, der lebte von Ende 2006 bis Januar 2007. Seitdem ist er tot (der Blog, nicht der Betreiber. Hoffentlich). Schade eigentlich.
Dann gibt es eine Seite, die heißt Megapack-Kondome – der Kondom-Blog. Da war Anfang 2009 Schluss, nachdem die Beitragsfrequenz zum Schluss auf einen Seufzer pro Monat gefallen war. Schade eigentlich (Den Rest der Seite konnte man eh vergessen, alles nur Werbelinks).
Beim KondomgroesseBlog tut sich auch seit letztem Herbst nichts mehr. War aber auch nur so ein krauser Schein-Blog, von dem alle Links zu einem einzigen Anbieter führten.
Tja, dann gibts nur noch Beecub, da steht wenigstens ein, zwei Mal im Monat was über Kondome – auch wenn es meist nur irgendwelche lustigen YouTube-Videos sind. Schade eigentlich (aber zumindest lebt dieser Blog noch).

Und sonst? Verstreute Einzelbeiträge in diesem oder jenem Blog – entweder bei den Medizin-/Gesundheits-/Familienplanungsthemen oder bei Werbung/Lustiges.

Tolle Domains gibts noch – aber die schönsten sind leer. Kondomblog.com? Fehlanzeige: „Lorem Ipsum trallala“, und nicht mal ein Impressum. Kondomblog.de? Seit Jahren nur die Meldung „In kürze wird die adfire GmbH unter der Domain kondomblog.de ein weiteres interessantes Projekt starten.“ (Kürze wird zwar groß geschrieben, ist aber halt relativ, nicht? Alle Kondombenutzer wissen das…) kondomblog.wordpress.com? „This is an example of a WordPress page“…

Sollte ich denn wirklich der Einzige sein, der Kondome noch so interessant findet, dass man mit gewisser Regelmäßigkeit (und ein wenig Sachkenntnis) was schreiben kann? Hallo!?

(Hoffentlich liest das wenigstens jemand…)

Vatikan-Tagung zu Aids: „Das Kondom schützt nicht“

Ohne Kommentar:

„Unter vatikanischer Spitzenbeteiligung“ lief Ende Mai ein „Kongress über HIV/Aids im Vatikan. Einer der prominentesten Teilnehmer ist der Medizin-Soziologe und Senior Harvard Forscher im Bereich Aids-Verhütung, Edward Green. Im Gespräch (…) wies der Fachmann erneut die verbreitete Ansicht zurück, Kondome schützten zuverlässig vor Aids.“

„Kondome werden typischerweise verwendet mit Gelegenheitspartnern oder bei Prostitution. Wenn die Kondomnutzung steigt, könnte das auf einen Zuwachs bei kommerziellem Sex hindeuten. Wir wissen heute, dass das häufige Wechseln von Sexualpartnern die Aids-Massenepidemie wie in Süd- und Ostafrika begünstigt. Die wichtigste Einzelmaßnahme gegen Aids ist also, vor dem Kontakt mit häufig wechselnden Partnern zu warnen.“ (Quelle: Radio Vatikan)

Fällt Euch was auf? Dr. Green hat nirgendwo behauptet, dass Kondome nicht schützen, wie der Titel der Meldung suggeriert. Er hat eigentlich nur darauf hingewiesen, dass Wissen, also Bildung, grundsätzlich eine bessere – weil längerfristig wirkende – Schutzfunktion hat, und dass Kondome nicht DIE alleinseligmachende Lösung des AIDS-Problems darstellen, wie manche glauben machen wollen. Aber so differenziert mag man sich in einem autoritätsbasierten System wie der katholischen Kirche natürlich damit nicht auseinandersetzen. Dr. Green vertritt seine Einstellung übrigens schon seit über zwei Jahren – neu ist das also auch nicht. Und ob es dem in der Tat renommierten Wissenschaftler gefällt, mit so einer Überschrift ausgerechnet durch den Vatikan instrumentalisiert zu werden, sei dahingestellt. So zitiert auch USA Today die Äußerungen von Dr. Green ganz anders:

Empirical evidence is increasingly showing that condoms aren’t the solution, at least in Africa where heterosexual sex among multiple partners in regular, concurrent relationships is largely to blame for HIV’s spread. It’s a different scenario than in Thailand, for example, where high-risk sex workers have driven the spread of the virus.
„I’m not anti-condom,“ Green said in an interview ahead of his speech Saturday to the conference. „They should be accessible, affordable, free. Just don’t bet the house and farm on it.“
What works in Africa, Green says, is male circumcision and reducing the number of sexual partners — in other words, changing the sexual behavior that fuels HIV’s spread.

Und noch einmal: Kondome mit Überziehhilfe sind NICHT neu. Im Gegenteil.

María Ángeles Machuca demonstrates how to use the newly-patented condom in Spain. Photo: EFE
María Ángeles Machuca demonstrates how to use the newly-patented condom in Spain. Photo: EFE
Eine grandiose Meldung bei Shortnews (gekürzt übernommen von EITB.com, hier):
„María Ángeles Machuca, eine Geschäftsfrau aus Sevilla in Spanien, hat jetzt ein Kondom entwickelt, das leichter überzuziehen ist“, heißt es dort. Und – welch Wunder! – das Kondom sei „mit zwei Streifen versehen, die sich leicht entfernen lassen.“ Cool. Das wievielte Mal wurde dieses Rad nun neu erfunden? Ich hatte erst letzten Monat über einen ähnlichen „Erfinder“ berichtet, der genau wie Frau Machuca anscheinend keine Ahnung hat, dass es diese Produkte bereits seit etlichen Jahren gibt. „Die Erfindung“, heißt es bei Shortnews weiter, sei somit „für Menschen geeignet, die blind sind oder dazu neigen, während des Geschlechtsverkehrs nervös zu werden.“ Liebe Leute: Auch sehende Menschen streifen sich ihr Kondom üblicherweise „blind“ über. So kompliziert ist das ja nun nicht. Und Leute mit Bäuchlein, wie ich (ähem) haben ohnehin nicht den richtigen Blickwinkel…
Aber egal. Gönnen wir Frau Machuca ihre Erfindung und Shortnews die Meldung (die sicher bald überall wiedergekäut werden wird). Denn der Hammer ist der letzte Satz:

Machuca hat drei Jahren an dem Design des Kondoms gearbeitet und musste gegen harte Konkurrenz aus USA und China bestehen.

Ja. Wer drei Jahre braucht, etwas zu erfinden, was es bereits gibt, sollte definitiv ausgezeichnet werden. Liebe Frau Machuca, ich hätte da noch etliche Ideen, die wieder einmal erfunden werden könnten…

Kondome mit Überziehhilfe sind NICHT neu. Im Gegenteil.

Da hat wieder mal jemand die gut geölte Pressemaschine angeworfen und „sensationelle“ Neuigkeiten zu verkünden – endlich gäbe es nun Kondome, die man dank einer aus zwei Abziehstreifen bestehenden Überziehhilfe schnell und hygienisch anlegen könne, ohne dass einem die Lust auf den Sex verginge. Seit drei Tagen rollt diese halb falsche, halb richtige Informatione nun ungebremst durchs Netz, und bis jetzt hat niemand, der sie so mit weiter verbreitet hat, auch nur mal nachgeguckt, ob das denn wirklich alles so neu und einmalig ist.
Die erste mir bekannte Meldung kam von AD.NL, wurde dann von DNews aufgegriffen und verbreitet sich nun, im wesentlichen mit folgendem Inhalt (wie hier bei Blackbeats.fm:

In Miami hat der Amerikaner Beau Thompson das effektivste Kondom der Welt entwickelt. Dieses Kondom verfügt nämlich über Griffe. (…) Mit den Griffen soll man das Kondom schneller überziehn können und es soll verhindern, dass einem die Lust auf Sex nicht vergeht. (…) Außerdem soll es zudem auch noch verhindern, dass das Kondom eventuell falsch übergerollt wird.

Ja. Das wäre alles ganz toll, wenn er das wirklich erfunden hätte. Hat er aber nicht.
Seit Jahren gibt es beispielsweise in Japan Sagami Quick mit dem praktischen Abziehbändchen; auch in Europa haben wir solche Gummis schon lange; die Franzosen haben’s entwickelt (wer sonst), nämlich Protex PullOn. Das Ganze gibt es natürlich auch mit zwei Bändchen (links und rechts) einschließlich Markierung für die richtige Seite, nämlich bei den aus Kolumbien stammenden Unique-Kondomen. Und ich bin sicher, wenn ich mal ein paar Fachhändler fragen würde, die sich auf dem internationalen Markt besser auskennen, gäbe es da durchaus noch das eine oder andere.
Vielleicht sollten wir den Journalismus zugunsten der Pressemitteilungen abschaffen. Da kriegt man alles so schön vorgekaut….