Zickenkrieg in Namibia

The NamibianTut mir leid, wenn sich jemand bei diesem Titel auf die Füße getreten fühlt, aber anders kann man angesichts des konstanten Kondom-Mangels im subsaharischen Afrika das Gezänk um die Markenrechte an den „Smile“-Staatskondomen kaum bezeichnen. Konkret geht es darum, wer denn nun geistiger Schöpfer und Rechte-Eigentümer der Marke „Smile“ ist – und der seit Jahren schwelende Streit wird natürlich auf dem Rücken derjenigen ausgetragen, die eigentlich von den durch die Regierung kostenfrei zur Verfügung gestellten Kondomen profitieren sollen; denn das ganze Verfahren, das wie auch hierzulande üblich natürlich mit reichlich Anwaltshilfe bestritten wird, kostet Geld – angesichts der in der Branche ohnehin nicht üppigen Verdienstmöglichkeiten eine ganze Menge Geld. Das führt dazu, dass die Preise weiter steigen als durch die Rohstoffpreiserhöhung ohnehin schon, und die Regierung infolgedessen von den von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gummis weniger einkaufen (und verteilen) kann als geplant; und zudem bieten mittlerweile natürlich auch ausländische Anbieter günstige Preise – somit sinken die Erträge des Herstellers, was wiederum zu noch mehr Aggressivität im Markenrechtskampf führt…

While it appears that no love is lost between the two, ComEx still supplies condoms to Government, but not under the Global Fund procurement. Global Fund-sponsored condoms are imported because the financier had a problem with the pricing of Smile condoms.
ComEx sources this week confirmed a statement made by Peter Ndaitwa, Undersecretary for Policy Development and Resource Management, that the agreement between the Ministry of Health and ComEx was never terminated, that the ministry is currently procuring condoms from the local manufacturer and that the Government is not experiencing a shortage of condoms.

Na ja. Den aktuellen Stand des namibischen Kondomkrieges zwischen Hersteller ComEx und dem Gesundheits- und Sozialministerium kann man im „Namibian“ nachlesen.
Schönes Wochenende!

Zum dritten Mal neu erfunden (aaargh)

Schon wieder ist ein Kondom-Erfinder bekannt geworden – ein Erfinder, der, wie kann es anders sein, etwas bereits mehrfach Erfundenes noch einmal erfindet. In unserem Falle die gaaaanz, ganz tollen Kondome mit Abziehbändchen, über deren mehrmalige Erfindung ich bereits hier und hier berichtete.

Verhüterli für den Vollrausch
Der Kondomerfinder Beau Thompson schafft Männern Abhilfe, die im Rausch zu Grobmotorikern werden: Das Strap-on-Gummi „The Sensis“ lässt sich durch zwei Ziehschnüre ganz leicht herunterrollen.

So beginnt die Onlineausgabe der Boulevardzeitung mit dem größten B aller Zeiten ihren Artikel über „15 kuriose Fakten über das Kondom“ (Quelle). Tja, Leute, ganz toll recherchiert, Chapeau. Was erwartet man denn sonst auch. Ach ja, richtig: 15 kuriose Fakten. Wollen wir mal?

  • Fakt Nr 1. ist also, BILDerbuchmäßig, weder“kurios“ noch neu.
  • Vielleicht kurioser Fakt Nr. 2? Ah… Schau an. Kondome kann man also auch anders nennen!? Wer hätte das gedacht.
  • Nummer 3? In Bayern sind Kondome für käuflichen Sex vorgeschrieben. Finde ich eher zeitgemäß als kurios. Kurios sind eher die, die noch keine entsprechenden Vorschriften haben. „Kondome schützen“, remember?
  • Kurioser Fakt Nr 4: „Auf einer Kondompackung sowie auf den einzeln verschweißten Gummis muss ein Haltbarkeitsdatum sichtbar sein.“ Wow! Na, so etwas kurioses. Wer denkt sich nur sowas aus.
  • Nummer 5: Kondome sollte man im Kühlschrank lagern. (da sag ich jetzt mal nix zu)
  • Nr. 6: Männer kaufen „grundsätzlich“ zu große Kondome. Hmnja, für jemanden, der noch nie mit Männern zu tun hatte, mag das durchaus kurios klingen; allen anderen ist die tendenziell leichte Selbstüberschätzung bei Männern bekannt. Wobei, nur um das richtigzustellen, Männer nicht „grundsätzlich“ zu große Kondome kaufen; vielmehr ist es so, dass Männer, WENN sie eine falsche Größe erwischen, eher zu große als zu kleine genommen haben. Die (absolute) Mehrzahl der Männer kauft passende Kondome.
  • Kurioser Fakt Nr. 7: Das Viagra-Kondom! Ja, ja; gähn… (ich berichtete hier und hier über diese Legende).
  • Nr. 8: In Frankreich gibt es eine Stadt namens Condom. So what?
  • Nr. 9: „Die Sexualberatung „pro familia“ hat den Kondometto entwickelt“. Schön wärs – stimmt aber nicht. Das Ganze ist eine Marketing-Idee eines einschlägig bekannten Kondomhändlers, um die MySize-Kondome loszuwerden – weder das Prinzip noch die Umsetzung sind eine Eigenentwicklung („They Fit“ und „Coripa“, sage ich nur). Ach so, kurios ist das aber eigentlich auch nicht.
  • Nr. 10: „In der DDR verlief der Kondomkauf sehr diskret“, meint BILD, und suggeriert, dass es außer dem Versand von Herrn Kästner in Dresden keine anderen Möglichkeiten gab – was natürlich Quatsch ist. Ich bin beispielsweise einfach immer in die Drogerie gegangen… Kurios sind hier allenfalls die Wissenslücken.
  • Nr. 11: Im Juli 2010 sei das erste Jugendkondom erschienen. Auch falsch; richtig ist, dass die Bezeichnung „Jugendkondom“ damals zum ersten Mal in medienwirksamer Stärke auftauchte. Kondome dieser Größe (45mm nominale Breite) gibt es natürlich schon länger. Das einzuräumen, wäre aber wirklich zu kurios; insbesondere, da Bravo und BILD ja auf dem gleichen intellektuellen Niveau dümpeln liegen. Und DARAN ist nun wirklich nichts kurioses.
  • Nr. 12 ist wieder einmal nicht tot zu kriegende Falschmeldung: „In Deutschland müssen Kondome das Gütesiegel der Deutschen Latex-Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaft (DLF) erhalten, um in den Verkauf gehen zu dürfen“. Wahrscheinlich bei den „7 Fakten über Kondome“ von T-Online abgeschrieben (ich berichtete).
  • Nr. 13 bringt altbekannte Zahlen (was ist daran kurios?),
  • Nr. 14 wärmt die alte Legende auf, dass an jeder dritten ungewollten Schwangerschaft das falsch bediente Kondom schuld ist (gähn), und
  • Nr. 15 betitelt Kondome als „Dickmacher“, da Farb- und Aromastoffe im Überzug ja Kalorien enthalten. Leute, habt ihr mal durchgerechnet, wie viel Kondome man ablutschen müsste, um auch nur 100 Gramm zuzunehmen?

Uff. Warum tue ich mir das eigentlich an?
(Schade, dass Kondome nur ein Nischenthema sind; andernfalls wäre das wohl ein gefundenes Fressen für das von mir sehr geschätzte Bildblog.)

The Zombie Condom

Ein Zombie ist je bekanntlich ein Toter, der sich einfach weigert, richtig tot zu sein oder zu bleiben, und den Lebenden immer mal wieder in die Quere kommt. Auch unter den Kondomen gibt es solche Zombies – sie geistern ungehindert durchs Netz, aber man kann ihrer nicht habhaft werden oder sie endgültig beerdigen.
Ein solcher condom zombie ist das famose Spray-Kondom des Singener Kondomhändlers Krause (ein anderer ist CSD500, siehe hier). Angeblich schon seit drei Jahren „auf dem Markt“, hat es doch noch niemand je in der Hand gehabt, geschweige denn benutzen können – trotzdem erscheinen immer wieder Texte über diese tolle Erfindung, bei deren Lektüre es scheint, als wäre man der einzoige Depp, dem es noch nie gelungen sei, ein Spraykondom zu ergattern.

Die neuste Erindung in Sachen Verhütung ist das Kondom zum Aufsprühen, das perfekten Tragekomfort für den Mann sowie optimalen Schutz beim Geschlechtsverkehr verspricht
Wer kennt das nicht? Es gibt immer wieder neue Erfindungen, mit den man aber nicht auf Anhieb klar kommt. So ist es bei vielen auch mit dem Kondom zum Aufsprühen. Etwas Neues, was neugierg macht, jedoch auf den ersten Blick nicht so einfach zu handhaben ist. Deswegen gibt es im Folgenden eine Anleitung, die erklärt, wie man am besten ein Kondom zum Aufsprühen verwendet. (…) Diese Erfindung gibt es zudem in verschiedenen Stärken, Farben und Geruchssorten. Man kann es sich beispielsweise in gelb, grün, rot oder transparent kaufen.

An dieser Stelle habe ich in dem ungemein hifreichen Artikel auf Hilfreich.de einen hilfreichen Link zu einer Einkaufsmöglichkeit vermisst. Denn: Über Sachen zu sprechen, die es allenfalls als Idee gibt, ist ja nichts Neues – aber Sachen kaufen zu können, die noch nicht einmal hergestellt sind – das wäre doch echt toll.
Davon abgesehen: wenn man die Sprayprozedur so wie angegeben vollzieht, kann man ziemlich sicher sein, dass Erektion und Stimmung schneller verschwinden als je zuvor.

Wenn der Penis sich bereits im erigierten Zustand befindet, wird er mit dem flüssigen Latex besprüht. Dieses verwandelt sich binnen Sekunden in Gummi, das dem Geschlechtsorgan perfekt angepasst ist.
Um den Verlust von Flüssigkeit sowie ein nicht gleichmäßiges Besprühen des Geschlechtsteils zu vermeiden, soll der Penis in eine Sprühkammer eingeführt werden. Dabei handelt es sich um eine zylinderartige Dose, die innen hohl und mit 30 kleinen Sprühkappen besetzt ist. Dort wird das Latex per Knopfdruck in kurzer Zeit auf den Penis gleichmäßig aufgesprüht und wird ganz schnell fest und elastisch.
Der Erfinder Jan Vinzent verspricht sogar, dass die Verhärtung des Latex bloß sechs Sekunden dauert.

Sieben Fakten über Kondome? Sieben mal Halbwissen!

Das ist, so scheint es, wieder einmal typisch T-Online: „Sieben Fakten über Kondome“ verspricht ein Artikel aus dem Lifestyle-Portal – aber was da geliefert wird, ist eine krude Mischung aus wiedergekäuten Pressemitteilungen und (vermutlich) Wikipedia-Schwarmintelligenz, die offenbar in kürzester Zeit zu einem „redaktionellen Beitrag“ verwurstet wurde, der es (wahrscheinlich mangels eigenen Beitrags) nicht einmal zu einer namentlichen Verfasserkennzeichnung gebracht hat. Mit Journalismus hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun.

Warum rege ich mich eigentlich auf? Schauen wir uns doch einmal ein paar der genannten „Fakten“ an.

„In Deutschland unterstehen Kondome dem Gütesiegel der Deutschen Latex-Forschungs- und Entwicklungsgemeinschaft (DLF)“, schreibt der Autor in seinem Teaser. Abgesehen von der gar seltsamen Formulierung (wie untersteht man einem Siegel?) ist nicht nur der Name falsch (die DLF ist die „Deutsche Latex-Forschungsgemeinschaft Kondome e.V.„), sondern auch die implizierte Behauptung, deren Siegel müsse in Deutschland zwangsweise auf Kondomen verwendet werden. Dies ist nicht der Fall.

„Eine ungewollte Schwangerschaft lässt sich mit einem richtig angewendeten Pariser relativ gut vermeiden. Kondome haben einen Pear-Index von zwei bis zwölf. Allerdings sind sie weniger sicher als die Pille. Zum Vergleich: Sie hat einen Pearl-Index von 0,1.“ Ja, es ist schon schwer, so komplizierte Dinge zu begreifen. Abgesehen davon, dass es keinen Pear-Index gibt (es sei denn für Birnen), sollte man wissen, dass es im Pearl-Index zwei verschiedene Wertetabellen gibt: einmal die Typical-use failure rate, andererseits die Perfect-use failure rate. Erstere bezieht Anwendungsfehler, falsche Anwendung, Vergesslichkeit etc. mit ein (bei Kondomen auch die Verwendung überlagerter und beschädigter Ware), zweitere schließt Anwenderfehler aus. Bei typical use gibt es bei Kondomen 15%, bei perfect use sind es nur noch 2%; die Pille kommt auf 8% bzw. 0.3%.

So. Kommen wir jetzt zu den „Sieben Fakten über Kondome„:

  1. „Kondome bestehen aus vulkanisiertem Kautschuk.“ Stimmt – zumindest für die Kondome, auf die das zutrifft. Kondome aus Poyurethan, Poyisopren, Kunstahrzderivaten und Naturdarm scheint der Verfasser nicht zu kennen.
  2. „Das Material, aus dem Kondome gemacht sind, ist sehr empfindlich und kann bei falscher Lagerung brüchig werden oder reißen.“ Stimmt auch – im Prinzip. Falsche Lagerung führt nur nicht zum „Reißen“, und „brüchig“ ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck. Latex-Kondome (siehe hierüber Punkt 1) verlieren ihre Elastizität. Die angesprochene „Lagerung“ in der Hosentasche ist an und für sich ungefährlich; Sonneneinstrahlung und stark wechselnde Temperaturen sind gefährlicher. Statistisch gesehen geschehen aber die meisten Beschädigungen schlicht durch falsches Auspacken.
  3. „In der Regel können Kondome vier bis fünf Jahre gebraucht werden.“ Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man Kondome nur ein einziges Mal verwenden .
  4. „Wer auf Nummer sicher gehen will, bewahrt seine Kondome im Kühlschrank auf.“ Na klar. Warum nicht gleich tiefgekühlt….
  5. „Achten Sie also darauf, ob L nicht passender wäre als XXL.“ Die Länge ist relativ unerheblich, die Breite ist entscheidend für den richtigen Sitz.
  6. „Es gibt auch Kondome für Frauen, die besonders in den USA verbreitet sind und vor HIV schützen sollen.“ So, „sollen“ sie. Warum diese zweifelnde Formulierung? Und warum „besonders in den USA“? Die gibts hierzulande auch. Und hier sind die Pearl-Index-Werte: typical use 21%, perfect use 5%.

(Doch, ich kann zählen. Einer der sieben Fakten war nicht zu beanstanden: „Wer sich nicht sicher ist, welche Größe passt, sollte im Zweifelsfall kleinere Kondome nehmen.“)

Tja, und sonst? Der Verfasser hat sich sichtlich bemüht, bei seiner Arbeit ein Synonymwörterbuch zu verwenden, und alle dort enthaltenen Bezeichnungen für „Kondom“ gleichmäßig in seinen Textschnipseln verteilt; das führt dann zu absurden Wortschöpfungen wie „Lümmeltüten für Frauen“ – die es nun wirklich nicht gibt, denn Frauen haben alles mögliche, aber gewiss keinen „Lümmel“, für den sie eine Tüte bräuchten.