Social Sex

Daumen runterWillkommen in der Welt der Wissenschaft (oder so). „Der Kondom-Hersteller Durex gibt überraschende Studien-Ergebnisse bekannt: Demnach überprüfen gut fünf Prozent der Smartphone-User während des Liebesspiels Facebook, zwölf Prozent telefonieren“, meldete gestern der FOCUS und bot damit wiedermal ein typisches Beispiel für den investigativen Journalismus, den dieses Blättle auszeichnet.
Ungeachtet der Tatsachen, dass Durex kein Kondom-Hersteller ist (Durex ist eine Marke, Hersteller wäre Reckitt-Benckiser als Markeneigentümer) und das Ganze natürlich auch keine Studie (und mal ganz außen vor gelassen, dass der Einzige, der Facebook „überprüfen“ könnte, der Bundesdatenschutzbeauftragte wäre), und wird zumindest mal eine Quelle für diese (schlampig übersetzte) Meldung angegeben – nämlich CNET, wo die Studie schon zu einer Umfrage geschrumpft ist und als Quelle lediglich auf eine Pressemeldung von Durex verwiesen wird, die (wörtlich!) in mehr als 40 „Nachrichten“-Portalen wiedergekäut wird (Stand gestern abend; heute werden es noch mehr sein).
Weder bei Durex selbst noch beim benannten Umfragedurchführer OnePoll finden sich jedoch Hinweise auf diese Umfrage, so dass wir weder wissen, wieviele Leute befragt wurden noch wann das Ganze stattfand. Hmnja. Mehr als

A recent poll for Durex (OnePoll) on the UK’s sex life revealed shocking statistics including 12% of people had answered a phone during sex, one in ten had read a text and over 5% of respondents had even checked Facebook while making love.

ist nirgendwo zu finden.
Was sagt uns das also? Wiedermal eine typische Luftnummer; billige Effekthascherei. Offenbar wird bei Durex das Geld für richtiges Marketing langsam knapp…

Kondome gratis – ja, nein, weiß nicht?

kbgratis
Ach ja, die Journalisten. Müssen die Provinzler denn den großen „Qualitätsjournalisten“ auch schon alles nachmachen? Leute, lasst Euch gesagt sein: granz so krass sollten sich Überschrift, Untertitel und Text vielleicht doch nicht widersprechen. Auch nicht in der Bergedorfer Zeitung. Kann natürlich sein, dass Ihr da einfach nur was falsch verstanden habt – für den Fall ist hier der Link zur Bedeutung von „gratis“.

„Gefühlsechter Gummi-Wahlkampf“? WTF?

Sind die österreichischen Grünen nun besonders witzig oder haben die Qualitätsjournalisten nur wieder einmal nicht aufgepasst?
Das Portal Nachrichten.at veröffentlichte am Dienstag einen Beitrag – und so fängt er an:
ggummi
Untertitel und Foto suggerieren (Pfeil und Fragezeichen von mir), dass die Grünen „mehr öffentlichen Verkehr“ wollen und zur Ermutigung gleich ein Kondom beilegen. Der (zugegeben sehr kurze) Begleittext sagt darüber zwar nichts – aber vielleicht darf man gespannt sein, was sich in Österreichs Parks demnächst so tut…

Durex ist kein Konzern

Daft Punkt WerbekondomManchmal kriege ich echt die Krise, wenn ich so qualitätsjournalistische Auswürfe zu lesen bekommen – insbesondere, wenn diese dann hundertfach wiedergekäut und auch noch im letzten Käseblättl irgenwo aufs Papier gerotzt oder als Bindemittel zwischen Online-Werbebannern benutzt werden. Dieser Tage geht eine „Meldung“ (ich kann das nur in Anführungszeichen schreiben, sorry) über so eine obskure Band namens Daft irgendwas durch den Online- und Raschelblätterwald, da stehen dann so Sachen wie:

  • Daft Punk & Durex bringen Kondome auf den Markt (OK!Magazin)
  • Daft Punk: Ihre Kondom-Linie wird zum Club-Hit (Klatsch-Trasch.de)
  • Daft Punk: “Get Lucky” gibt es jetzt auch als Kondom
  • „Get Lucky“ dank Daft Punk: Französisches Elektro-Pop-Duo bringt Pariser heraus (Stern)
  • Das Due Daft Punk stellt jetzt Kondome her (dpa)
  • Daft Punk verkaufen Kondome „Get Lucky“ mit Verhütungsmitteln (Pro Sieben)

(Nein, ich verlinke den Mist nicht. Sucht’s Euch selber, wenn Ihr’s braucht)
Da ist dann im „Text“ vom „Kondom-Konzern Durex“ die Rede; einen Tag vorher war es noch eine „Kondomfirma“ – dass das nur eine Marke ist, die dem US-amerikanischen Mischkonzern Reckitt-Benckiser (andere Marken: Clearasil, Calgon, Nurofen, Vanish, Finish…) gehört, ist irgendwie uninteressant. Das Ganze wird als „skurrile Geschäftsidee“ bezeichnet, die nur noch durch – man glaubt es kaum – Action-Figuren (!) überboten werden wird… und all das ist so wahnsinnig neu und phantastisch und großartig und skurril und geil und wow… Ja, Kondome mit Verhütungsmitteln, wo gibts denn sowas. Und die Zwei-Mann-Band mutiert in der Presse auch gleich zum „Hersteller“ (wenn die sich selbst als solcher bezeichnen würden, wäre das in Deutschland schon Grund für eine saftige Abmahnung).
Reality Check: Eine „eigene Kondommarke“ kann jeder herausbringen. Es gibt genügend Firmen, die direkt auf sowas spezialisiert sind (nennt sich „private label“), und so gut wie jeder Hersteller bietet das quasi als Nebenbeigeschäft mit an – genau das, was auf dem Bild zu sehen ist: ein schlichtes Werbekondom.