Viel Hype um nichts eins

Ich hab sie ja bisher hier vermieden, die Einhörner (das sind die, die es geschafft haben, für ein variationsloses Gutmenschenkondom fünf- oder sechsstellige Beträge crowdzusourcen, um einen großen Teil davon in sinnlosen Rechtsstreitigkeiten zu verplempern, die sie sich mit ein wenig rechtzeitigem Wissenserwerb hätten sparen können), weil sie eigentlich nichts Neues auf den Markt gebracht haben; und über ein einziges Kondom zu reden (lasst Euch nicht von den bunten Tüten täuschen, da ist überall das gleiche drin) lohnt die Mühe nicht.

sad unicornJa, man wolle ein veganes Kondom erfinden (gabs leider schon mehr als ein Jahrzehnt vorher, kann man ja nicht wissen) und man wollte ein Fair-Trade-Kondom erfinden (gabs auch schon lange vorher, konnte man ja nicht ahnen), und man wollte das Kondom von manchen Zwängen des Medizinprodukterechts befreien (was zwar nicht klappte, aber zumindest den schönen Slogan „Das Orgasmuspaket – bekannt aus dem Gerichtssaal“ auf die Homepage brachte).

Nun geht man noch einen Schritt weiter. Um das Kondom selbst ist es ja ruhig geworden (es ist kein schlechtes Kondom, bitte nicht falsch verstehen, sondern ein einfaches, solide, zuverlässiges Standardkondom ohne Extras, alles geprüft und wie es sich gehört): mit der selbst verordneten Neusprech-„Fairstainability“ kommt man seit Jahren ja nicht so richtig weiter, die Druckqualität der multiorgasmischen Chipstüten ist auch nicht besser geworden, also wird zum Befreiungsschlag ausgeholt. Im Video-Interview befreit sich der Chef nun von lästigen Chef-Pflichten, die Mitarbeiter vom (weisungsgebundenen) Mitarbeiten und sich selbst von jedem Rest Glaubwürdigkeit – nein, nicht ganz: dass er, wie er sagt, damit reich werden will, glaubt man natürlich schon.

Seit August 2016 dürfen die Mitarbeiter dort nicht nur ihr Gehalt selbst bestimmen und unbegrenzt Urlaub nehmen, das Team ging sogar noch einen Schritt weiter. „Beide Gründer haben ein Manifest unterschrieben, dass kein Mitarbeiter mehr weisungsgebunden ist“, erklärt Zeiler. […] Immerhin spare es jede Menge Kosten […]. Außerdem habe er lästige Chef-Aufgaben […] so an das Team outgesourct. Die Mitarbeiter müssten jetzt nur noch lernen, mit der ganzen Verantwortung umzugehen.

(Quelle: gruenderszene.de) Alles schön. Peace. Live long and prosper. Oder so.

Kritik an dem Konzept kann Zeiler nicht nachvollziehen.

CE-Irrtümer

Immer wieder stolpere ich im Zusammenhang mit der CE-Kennzeichnung über Ausdrücke wie „CE – europäisches Gütesiegel“, „CE-geprüfte Kondome“, „CE-zertifizierte Kondome“, „CE-Siegel“, „CE-Gütezeichen“, „CE-Prüfsiegel“ und so weiter, und es ärgert mich – insbesondere, wenn es von Leuten verwendet wird, die es eigentlich besser wissen müssten.

CE bedeutet schlicht und einfach „Conformité Européenne“ – es handelt sich um ein Konformitätszeichen. Es ist kein Gütezeichen oder Prüfsiegel.

Durch die Anbringung des CE-Zeichens erklärt der Hersteller bzw. Importeur, dass sein Produkt den entsprechenden EU-Normen und -Richtlinien entspricht. Bei Medizinprodukten (zu denen das Kondom gehört) ist eine einfache Konformitätserklärung nicht ausreichend; hier wird (in der Regel im Rahmen eines Audits nach ISO 13485:2003) das Unternehmen für die Herstellung dieser Produkte nach der EU-Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG zertifiziert; die Zertifizierung bezieht sich also auf das Unternehmen und den Produktionsprozess der entsprechenden Produkte, nicht auf das einzelne Produkt selbst. Die Nummer der sogenannten „Benannten Stelle“ (also des Unternehmens, das die Zertifizierung vorgenommen hat) ist dann direkt am CE-Zeichen mit anzubringen, so dass der Verbraucher bei Interesse prüfen kann, ob das Zertifikat korrekt und aktuell ist.

Rückseite einer Packung Blausiegel Sensitive (latexfreie Kondome)Beispiel gefällig? Gerne. Nehmen wir mal – weil ich sie gerade hier liegen habe – eine Packung Blausiegel Sensitive (siehe Abbildung). Dort steht rechts „CE 0123“. Wir müssen nun also die Benannte Stelle „0123“ finden – das geht am schnellsten über das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (kurz: DIMDI), wo wir in der nach Kennnummern sortierten Liste unter der Nummer 0123 die TÜV SÜD Product Service GmbH finden. Adresse und Telefonnummer sind auch leicht zu finden. Auf der Website des TÜV Süd kann man die Zertifikats-Datenbank aufrufen und dort nach dem Hersteller „Sagami“ suchen (im rechten Dropdownfeld bitte „Datenbank (alle Felder)“ wählen) – in der Liste dann anklicken, und voilà – schon hat mal alle Details. Und richtig, Sagami (die für die Mapa GmbH die „Blausiegel Sensitive“ in Malaysia herstellt) hat ein gültiges Zertifikat (Nummer G1 10 07 40297 011) für die Herstellung von Kondomen aus Polyurethan.

Alles klar? Die einzigen Kondome, die (hier in der EU) kein CE-Zeichen brauchen, sind Scherzkondome (logisch, denn das sind ja keine Medizinprodukte, sondern Scherzartikel). Woanders sieht das natürlich anders aus – aber dazu ein andermal.