Alles umsonst! Heute: Österreich

Es hat schon eine kleine Spur von Humor, wenn bei mir (der ich ja bekanntermaßen zum Bestreiten meines Lebensunterhaltes Kondome verkaufe) eine Sponsoringanfrage von einer Organisation eingeht, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, kostenlose Kondome für alle verlangen wollen zu dürfen. Diesmal aus Österreich, denn auch dort ist „will haben“ in Kombination mit „umsonst“ eine recht beliebte Forderung – Gedanken darüber, dass irgendjemand das bezahlen muss, macht man sich ja traditionell nicht (und… Überraschung: der Staat zahlt gar nix, das ist alles Geld der Steuerzahler, und auch Sponsoren können nur Geld ausgeben, das sie vorher eingenommen haben – von den Konsumenten…).

Wir als Initiative Gratis Verhütung für ALLE! treten in der ersten Februarwoche mit unserem Volksbegehren zu – Sie werden es vielleicht erraten haben – gratis Verhütung in den Medien auf.
Nach unserer Pressekonferenz im Zentrum von Wien findet eine ästhetisch schillernde Kundgebung statt, zu der die Journalist:innen eingeladen sind. Ich frage Sie hierfür um eine Werbematerialspende an (Kondome), die bei der Kundgebung zum Einsatz kommen soll. […] Hier sind die konkreten Forderungen zusammengefasst:

  • Prävention, Zugänglichkeit, Aufklärung!
  • Kostenlose Kondome und Lecktücher in Apotheken und Drogerien!
  • Gratis hormonelle und nicht hormonelle Verhütung (z.B. Pille, Stäbchen, Spritze, Hormonspirale, Kupferkette & -spirale, Goldspirale, etc.)!
  • Gratis Pille Danach!
  • Kostenübernahme von Verhütungsberatung bei Ärzt:innen!
  • Umfassende sexualpädagogische Aufklärung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen!

Da ein Volksbegehren auch eine große mediale Aufmerksamkeit benötigt, um so viele Bürger:innen wie möglich darüber zu informieren, sind wir momentan auch auf der Suche nach mittel-/längerfristiger finanzieller Unterstützung für unsere Kampagne. Wir finden, dass ein Sponsoring auch für Sie interessant sein kann.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich diesbezüglich kontaktieren können, um weitere Details zu besprechen…

Nun, werte Dame, ich finde, dass ein Sponsoring für mich nicht wirklich interessant sein kann – ich habe nämlich kein Interesse daran, mich und meine Firma überflüssig zu machen und dafür noch Teile meines teuer eingekauften Warenlagers für umme nach Wien zu expedieren. Gestatten Sie mir außerdem noch den Hinweis, dass es auch in Österreich bereits ausreichend Möglichkeiten gibt, gratis Kondome zu erhalten – Interessenten können sich beispielsweise an eine der vielen regionalen Niederlassungen der AIDSHilfe oder gemeinnützige Vereine wie STOPAids wenden. Und zwar schon seit langem. „Im Infoshop der Aids Hilfe Wien kannst du täglich bis zu drei Stück kostenlos abholen,“ schreibt beispielsweise die Aidshilfe Österreich.
Vielleicht sollten Sie vor Ihrem nächsten Mailing doch ein wenig darauf achten, an wen Sie Ihre Geschenkwünsche richten.

PS. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Wer Hilfe und Unterstützung braucht und alleine nicht klarkommt, dem muss geholfen werden. Aber „alles umsonst für alle“ kann ich nicht unterstützen, weder ideell noch materiell. Tut mir leid. (Nein, nicht wirklich)

Wir brauchen ein Sondervermögen

Gestern hatte ich ja noch gelästert, dass die Schweiz für das Projekt „Verhütungsmittel kostenlos für alle“ ein Sondervermögen lockermachen müsste; und heute lese ich, dass es auch bei uns Bestrebungen in diese Richtung gibt. Die sind zwar von den Forderungen her nicht ganz so umfangreich – aber wenn man bedenkt, was selbst einfachste Projekte in dieser unserer Bundesrepublik so für Geld verschlingen, so können wir uns dafür das nächste Sondervermögen bereitlegen (schließlich haben wir ja eine „Notlage“, da sind neue Schulden ja kein Problem):

Die Bundesregierung hat sich im aktuellen Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass es Krankenkassen ermöglicht werden soll, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Insbesondere bei Geringverdiener*innen sollen die Kosten übernommen werden. Die Bundesregierung kündigte ebenfalls an, die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anzuheben. Zur Halbzeit der Legislatur wurde bislang keines der genannten Vorhaben verwirklicht.

So ist es unter dem Titel Verhütung ist Menschenrecht! (Archiv) zu einer „Dokumentation der Paritätischen Fachtagung zur Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln“ zu lesen. Das verlinkte PDF-Dokument (Archiv) erläutert Näheres und ist – im Vergleich zur der Schweizer Initative von gestern – zwar auf den ersten Blick etwas realistischer, was die geforderten Kostenübernahmen angeht, in der Konsequenz wird jedoch auch wieder „alles muss bezahlt werden“ gefordert:

pro familia fordert […] den Rechtsanspruch für alle Menschen und präzisiert: Die Kostenübernahme für alle Verhütungsmittel und -methoden zur Familienplanung für alle Menschen sollen über die Krankenkassen sichergestellt werden. […] Insbesondere Menschen mit wenig Geld sind auf eine schnelle gesetzliche Lösung angewiesen. Aufgrund dieser Dringlichkeit auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit fordert pro familia deshalb in einem ersten Schritt, den Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu allen Verhütungsmitteln für Menschen mit wenig Einkommen zu garantieren.

Nun ja. Seufz. Über Gratis-Kondome habe ich schon viel geschrieben. Und zu Leuten, die alles und jedes „vom Staat“ (also von meinen Steuern) bezahlt haben wollen, habe ich auch eine dedizierte Meinung. Erinnert sich noch jemand an den großen Aufriss, als es um die Mehrwertsteuersenkung für Periodenprodukte ging? Was das alles an finanziellen Freiheiten für die Frauen bringen würde? Nein? Und Gratis-Tampons für alle, die sich als Frau identifizieren? Auch nicht?
Um das noch einmal klarzustellen: Ich habe nichts gegen gratis Kondome für Geringverdiener. In anderen Ländern kann man sich auch einfach welche „holen“, wenn man sich keine leisten kann (bei uns geht das auch, man muss halt nur wissen, wo – denn „einfach“ geht bei uns nicht). Die Kosten für die öffentliche Hand sind überschaubar und kalkulierbar. Aber alles für alle? Nope. Recht auf Wohnraum heißt ja auch nicht „Villen für jeden“. Der Staat kann (und muss) für die, um die er sich kümmern muss, die Grundlagen sicherstellen und nicht eine Rundum-Vollversorgung anbieten. Zum Verhüten sind einfache Kondome im Normalfall vollkommen ausreichend (und einfach anzuwenden, sicher, nebenwirkungsfrei, non-invasiv… aber ich wiederhole mich).

Gratis Kondome jetzt auch in der Schweiz?

Na, das wird doch bestimmt wieder genau so ein Riesen-Erfolg wie in Frankreich (wenn es denn dazu kommt). SwissInfo (Archiv) und andere Organe melden jedenfalls: „In Genf sollen Verhütungsmittel für alle Menschen kostenlos werden.“ (na ja, zumindest wird das gefordert. Weiter ist man noch nicht):

Dies fordert eine von der SP lancierte kantonale Gesetzesinitiative. Das Gesetz wäre eine Premiere in der Schweiz. Die SP reichte die Initiative mit 6731 Unterschriften, 1200 mehr als nötig, ein, wie die Partei am Mittwoch mitteilte. Die Initiative solle es jeder Person ermöglichen, ihre Verhütungsmittel ohne wirtschaftlichen Zwang zu wählen. Die Initiative war im Rahmen der Kampagne für die eidgenössischen Wahlen lanciert worden. Sie fordert, dass künftig der Staat alle Kosten für Verhütungsmittel übernimmt.

Nun ja. Fordern kann man viel. Letzlich wird es darauf hinauslaufen, dass es ein, zwei Sorten Kondome für umme geben wird, die aber keiner haben wollen wird (weil: kostet nichts = taugt nichts), and alles geht weiter wie vorher. Und wieder wird Geld ausgegeben, ohne dass es was bringt.

Die Kostenfreiheit werde auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Gesamtkosten des Gesundheitswesens haben

Ach. Wer hätte das gedacht. Und nochmal: Ich halte es für absolut unrealistisch, dass irgend ein Staat alle Kosten für alle Verhütungsmittel übernehmen wird. Das wäre ein Fass ohne Boden und – zumindest bei uns – ein Fall für ein milliardenschweres „Sondervermögen“. Von den Schwierigkeiten, so etwas so organisieren und abzurechnen, will ich gar nicht erst anfangen.

Zahlreiche Studien belegten, dass die Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln das Risiko ungewollter Schwangerschaften und damit auch von Schwangerschaftsabbrüchen verringere.

Diese „zahlreichen Studien“ mal zu verlinken, ist natürlich für ein Onlinemedium eine unlösbare Aufgabe. Tatsache ist, dass die Verwendung von Verhütungsmitteln die entsprechenden Risiken verringert; und zwar unabhängig davon, was sie gekostet haben und wer sie bezahlt hat.

Viele Frauen verzichteten aus Kostengründen auf die wirksamsten Methoden wie die Spirale.

Nun ja. Was die Wirksamkeit angeht, gibt es den Pearl-Index, auf dem steht die Spirale in der Tat besser da als das Kondom (Sterilisation aber auch). Aber ob „Kostengründe“ das entscheidende Kriterium sind, vermag ich nicht zu sagen (Details zu den Kosten und Verfahren bei Pro Familia), halte Frauen aber generell nicht für so einfältig, dass die teurere Methode auch die bessere sein muss. Sehr viele Frauen haben meiner Ansicht nach eher gewisse Vorbehalte gegenüber der Zuführung von Hormonen; dass das für die Körperchemie nicht immer so ideal ist, ist bekannt (Archiv):

Häufige Nebenwirkungen der Hormonspirale sind Störungen der Menstruationsblutung. Und zwar sowohl Zwischenblutungen in den ersten Monaten nach dem Einsetzen als auch das Ausbleiben der Periode, weil das Levonorgestrel den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut unterdrückt. Andere häufige Nebenwirkungen sind zum Beispiel: Abstoßen der Spirale, Schmerzen im Unterleib, depressive Verstimmungen und Eileiter-Zysten. Frauen, die noch keine Kinder bekommen haben, haben öfter Probleme mit der Spirale als Frauen, die bereits Kinder geboren haben.

Kondome sind halt immer noch das einfachste, kostengünstigste und am wenigsten invasive Verfahren zur Empfängnisverhütung (OK, auf Platz 2 nach „gar kein Sex“). Und sie schützen auch gegen sexuell übertragbare Infektionen, das bringen die „besseren“ Verhütungsmittel alle nicht (hatte ich schon erwähnt, dass Kondome eigentlich auch keine Nebenwirkungen haben?). Wer also wirklich auf Nummer sicher gehen will, für den wird – gerade bei wechselnden Partnern – eine Spirale genau so wenig ausreichen wie die Pille.
Eigentlich weiß man das ja in der Schweiz auch schon 🙂

Der Flop mit den Gratis-Kondomen

Erinnert sich noch wer? Seit Anfang dieses Jahres sollten Kondome für Jugendliche in Frankreich gratis sein; ich hatte vor einem Jahr schon meine Zweifel angemeldet, ob und wie das funktionieren sollte.
Nun, long story short: Nope, es funktioniert nicht. Zumindest nicht so, wie es euphorisch vorab gefeiert wurde. Ich habe mich bei Kondomhändlern in Frankreich erkundigt (denen geht es nach wie vor gut, niemand hat deswegen seinen Shop dichtmachen müssen), und der Tenor wird von meinem Kollegen M. ganz gut auf den Punkt gebracht:

I asked some pharmacists, and now it’s a flop. It’s not a competition to the regular business, as once a condom is inside a pharmacy retail, it can’t do advertising on this model. And the range of condoms are limited. Another thing, a model sold inside a pharmacy network can’t be sold in the regular retail network!

Kurz gesagt, die Gratis-Abgabe stellt keinerlei Konkurrenz zum normalen Geschäft dar, denn die Hersteller/Anbieter der dort angebotenen Sorten dürfen für diese Sorten keine Werbung mehr machen, und das Anbieten dieser Sorten im regulären Handel ist auch nicht mehr möglich. Dadurch ist das Angebot an Gratis-Ware automatisch recht begrenzt, da kein namhafter Hersteller sich selbst mit einem Werbeverbot und Verkaufseinschränkungen ins Abseits schießen möchte.
Also, seufzt Sender Jerewan, natürlich gibt es – wie versprochen – Gratiskondome für Jugendliche in französischen Apotheken. Aber die Auswahl ist sehr bescheiden, und der Gang in die Apotheke sicher nicht immer einfach. Die Onlinehändler haben jedenfalls keine Einbußen zu vermelden, und die zum Jahrestag eigentlich angesagten medialen Erfolgsmeldungen werden wohl auch eher bescheiden (oder ganz) ausfallen. Falls aber jemand über irgendwas stolpert – gerne her damit.